In der Baubranche waren die Erwartungen an den von Bundeskanzler Scholz groß angekündigten Wohn- und Baugipfel extrem niedrig – und von Skepsis und Vorabschelte geprägt. Obwohl dann am 25. September keinesfalls Revolutionäres verkündet wurde, zeigte man sich in der Bauindustrie angenehm überrascht. Der Zentrale Immobilienausschuss und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hatten sich ja bislang nicht unbedingt übermäßig begeistert von der Ampel-Baupolitik gezeigt. Nachdem die Regierung ihren 14-Punkte-Plan dargelegt hatte, äußerten beide Verbände Zuversicht, dass mit diesen Maßnahmen der derzeitige Niedergang zumindest aufgehalten werden könnte. In der Psychologie spricht man von „diminished expectations“- von vornherein gesenkte Erwartungen. Vielleicht liegt es ja daran? Viellicht aber auch an den Maßnahmen, die in der Tendenz doch in die richtige Richtung zu zeigen scheinen. Ein Überblick.
Der Artikel kurz zusammengefasst:
Die Bundesregierung hat auf dem Wohngipfel Ende September 14 Eckpunkte vorgestellt, um die Wohnsituation der Bevölkerung zu verbessern und das Baugeschehen anzukurbeln. Dabei zieht die Regierung die ursprünglich geplanten wesentlich strengeren Umweltvorgaben zurück. Stattdessen setzt das Programm auf finanzielle Anreize zum Bauen wie eine bis Ende 2029 geltende degressive afa und verschiedene Förderprogramme. Außerdem sollen einzelne Maßnahmen zum Hindernis- und Bürokratieabbau beitragen. Revolutionär können die Maßnahmen im Programm zwar nicht genannt werden, allerdings bewegt es sich aus Sicht der Branchenverbände in die richtige Richtung. Umweltorganisationen zeigen sich dagegen enttäuscht.
Zuckerl für den Neubau: degressive afa und Aufstockung der kfw-Programme
Dass die vorgesehenen Maßnahmen eher ein Ankurbeln der Bau- und Immobilienkonjunktur zum Ziel zu haben scheinen als eine Verbesserung der Situation von Mietern, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisch anmerkte, dürfte die eher an handfesten Konjunkturdaten interessierte Baubranche in Kauf nehmen. Umweltverbände und-organisationen zeigten sich dagegen enttäuscht über das gedrosselte Tempo bei den Klimaschutzvorgaben.
Doch was sind nun eigentlich die Kernpunkte und inwiefern bieten sie eine Chance, dem Rückgang der Bautätigkeit mildernd entgegenzuwirken? Die wichtigste Maßnahme – und die, die den höchsten Anklang in der Branche findet – ist wohl die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Wohnneubauten in Höhe von 9 Prozent von Oktober 2023 bis 2029.
Auch von der finanziellen Aufstockung und Ausweitung der KfW-Neubauprogramme „Klimafreundlicher Neubau“ und „Wohneigentum für Familien“ auf Familien mit höheren Einkommen erhofft sich die Branche eine gewisse Belebung der darniederliegenden Nachfrage auf dem Neubaumarkt.
Need for Speed auf dem Bestandmarkt – mit Absage an die Pfichtsanierung
In Bezug auf den Bestandsmarkt ist die zentrale Maßnahme die Erhöhung der Heizungstausch-Förderung über einen „Speed-Bonus“ in den Jahren 2024 und 2025 für die Ersetzung alter Heizungen (wie Öl-, Kohle-, Gastetagen- oder Nachtspeicherheizungen). Aber auch über den Heizungsmarkt hinaus soll die effiziente Sanierung angekurbelt werden, indem die Sanierungssätze sowohl in der Zuschuss- als auch bei der steuerlichen Abschreibungsvariante befristet bis Ende 2025 auf 30 Prozent angehoben werden sollen.
Von der regulatorischen Seite her kommt es zu einer Absage an die EH 40-Pflicht im Neubau und die Sanierungspflicht im Bestand – zum Frust der Umweltorganisationen, jedoch zur weitgehenden Erleichterung der Branche, die wegen der zuvor angekündigten rigoroseren energetischen Vorgaben eine noch weiter abgewürgte Nachfrage befürchtete. Die Regierung spricht nun davon, die Verschärfung der Neubau-Vorgaben angesichts der derzeitigen Preisentwicklungen vorerst „aussetzen“ zu wollen und bei den Verhandlungen über die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) zwar auf „anspruchsvolle Sanierungsquoten“ zu dringen, die gefürchtete Sanierungspflicht für einzelne Wohngebäude jedoch auszuschließen.
Weniger Bürokratie, weniger Erwerbshemmschwellen
Auch der nicht zuletzt durch den Energiekosten- und Heizungserneuerungsfokus in die Schieflage geratene Markt für Gebrauchtimmobilien soll durch ein für die nächsten zwei Jahre vorgesehenes KfW-Programm für den Erwerb sanierungsbedürftiger Häuser entlastet werden.
Nicht zuletzt dürfte die Regierung mit der Ankündigung, den Ländern eine Absenkung der Erwerbsnebenkosten zu ermöglichen, auf offene Ohren stoßen. Das ebenfalls im 14-Punkte-Plan enthaltene Versprechen, die Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsprozesse zu entbürokratisieren und zu beschleunigen, dürfte jedoch bei vielen Baubranchen-Veteranen zu verärgertem Abwinken sorgen: Zu oft wurden die Erwartungen schon enttäuscht.
Doch vielleicht steht hier eine weitere positive Überraschung für die Branche bevor? Immerhin kündigen die Länder konkrete Maßnahmen an wie z. B. die bundesweite Gültigkeit serieller und modularer Typengenehmigungen oder eine stärkere Begrenzung der Dauer von Genehmigungsverfahren, die ab 2026 bundesweit nur noch 3 Monate dauern sollen.