Seitdem die kfW-Mittel für Neubauten Anfang 2022 mit großem Getöse in sich implodiert sind, blieb es lange still um die Neubauförderung in Deutschland. Nun kündigt das Bundesbauministerium bereits für März 2023 die viel erwartete neue Regelung an. Bei der Immobilienbranche stößt die bislang glücklose Ministerin Klara Geywitz damit nicht auf große Begeisterung: Zunächst erscheint ihnen die kurzfristige Vorab-Mitteilung der zentralen Punkte in Form einer „Sneak Preview“ so kurz vor Inkrafttreten ziemlich praxisfremd (schließlich müssen sich Energieberater, Kunden und die Bauakteure erst einmal darauf vorbereiten), zum anderen enttäuscht die Vorab-Ankündigung alle, die sich den „großen Wurf“ für die brachliegende Förderlandschaft erhofft hatten. Eines ist sicher: Der Neubaukrise wird dadurch jedenfalls aus Sicht der Immobilienbranche nicht erfolgversprechend entgegengetreten. Doch ist das überhaupt beabsichtigt? Die Kommentare aus der Regierung zum Thema „Neubauziel von 400.000 Wohnungen“ waren jedenfalls zuletzt in sich widersprüchlich.
Wie sollen die neuen Förderungs-Grundlagen ab März genau aussehen?
- Die gesamte Neubauförderung soll gemäß Koalitionsvertrag im Hinblick auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Entsprechend wird der ökologische Fußabdruck eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus in den Blick genommen.
- Die geförderten Gebäude sollen einen möglichst geringen Anteil „grauer Energie“ in den verwendeten Baustoffen haben, eine hohe Energieeffizienz und niedrige Betriebskosten aufweisen – und nicht zuletzt einen hohen Anteil erneuerbarer Energien bei Wärme und Strom.
- Zur Finanzierung von Mehrfamilienhäusern und Eigenheimen soll die KfW jährlich 750 Millionen Euro zur Verfügung stellen (allerdings nicht als direkte Zuschüsse, sondern ausschließlich in Form von zinsgünstigen Krediten).
- Gefördert werden neben dem Neubau auch der Ersterwerb neu errichteter Wohn- und Nichtwohngebäude, deren Treibhausgas-Emissionen im gesamten erwarteten Lebenszyklus bestimmte festgelegte Grenzwerte unterschreiten und die den energetischen Effizienzhaus 40-Standard erfüllen.
- Eine größere Unterstützung soll es für Gebäude geben, die zusätzlich das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) erreichen. So sollen für ein klimafreundliches Wohngebäude mit QNG bis zu 150.000 Euro pro Wohneinheit finanziert werden können (ohne QNG bleibt es bei bis zu 100.000 Euro pro Wohneinheit).
- Kommunen und Landkreise sollen für den Bau von Wohnungen, Kindertagesstätten oder Schulen Investitionszuschüsse erhalten.
- Für Familien soll es ab Juli ein neues Programm zur Neubauförderung geben („Wohneigentum für Familien (WEF)“). Vor allem Familien mit Kindern und geringem oder mittlerem Einkommen sollen bei neuem selbst genutztem Wohnraum gefördert werden (mit Kreditbeiträgen von maximal 240.000 Euro).
Die Kritik lässt nicht auf sich warten
- Wenig begeistert ist zunächst der Energieberaterverband GIH. Den Energieberaterinnen und Energieberatern wurde in Aussicht gestellt, ab sofort zur neuen Förderung beraten zu dürfen – mit etwa einem guten Monat Vorbereitungszeit bis zum Programmbeginn am 1. März nicht gerade eine dankbare Aufgabe.
- Darüber hinaus stört die Energieberaterschaft (genau wie die Immobilienwirtschaft und die Baubranche), dass es keine Tilgungszuschüsse mehr geben wird, sondern nur noch zinsverbilligte Kredite. Da die förderfähige Kreditsumme von 100.00 bis 150.000 Euro für einen Effizienzhaus-Standard 40 mit bestandenem Lebenszyklus-Asset zumal bei den derzeitigen Baukosten nicht sehr viel beitrüge, sei auch kein besonders großer Effekt zu erwarten.
- Aus Sicht der Immobilienwirtschaft ist die Neubauförderung außerdem notorisch unterfinanziert. Der ZIA rechnet vor, dass mindestens 10 Milliarden Euro vonnöten seien, um neuen Wohntraum zu schaffen und so die größer werdende Kluft zwischen bezahlbaren und faktischen Mieten zu überwinden.
- Der GdW und der Hauptverband der Bauindustrie bemängeln die ausschließliche Fokussierung auf den klimafreundlichen, aber teuren Effizienzhaus 40-Standard. Dadurch in der Masse Neubau anzuregen (immerhin ein erklärtes Ziel des Koalitionsvertrags) erscheint ihnen unmöglich.
Führende Politiker äußern sich wolkig bis widersprüchlich
- Jüngste im Kontext der neuen Förderbedingungen geäußerte Aussagen führender SPD-Politiker zum Thema sind auf jeden Fall nicht unbedingt geeignet, um die Kritiker zufriedenzustellen. So räumte Bundesbauministerin Klara Geywitz in einem Interview mit der Internet-Plattform web.de zwar jüngst ein, dass das erklärte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr 2022 verfehlt worden sei und wohl auch 2023 nicht erzielt werden könne.
- Ab 2024 würden die Maßnahmen der Regierung aber greifen und dauerhaft für 400.000 neue Wohnungen pro Jahr sorgen. Auch Kanzler Olaf Scholz bekräftigte diese Neubauparole in einem Zeitungsinterview mit dem Berliner Tagesspiegel in einem Tonfall, der an seine Zeit als baufreudiger Hamburger Bürgermeister erinnert und kündigte auch mehr Geld für den brach liegenden sozialen Wohnungsbau an.
- Die Antwort, wie genau sie das trotz steigender Baupreise (und bei gleichzeitiger Einhaltung ihrer eigenen Klimaschutzziele bis 2030) schaffen wollen, ab 2024 jedes Jahr 400.000 neue Wohneinheiten zum Standard zu machen, blieben die beiden Politprofis allerdings schuldig.
- Im Interview mit Klara Geywitz wurde überdies nochmals erkennbar, unter welchen Widersprüchen das Bauziel der aktuellen Bundesregierung sich bewegt (einerseits: Emissionen einsparen, andererseits: den Neubau dauerhaft ankurbeln). Auf die Frage, das Motto ihrer Partei sei doch bislang immer „Bauen, bauen, bauen“ gewesen, antwortete Geywitz, sie halte es eher mit „Bauen, Umbauen, Umnutzen“.
- Damit verwies sie direkt auf die Prinzipien des nachhaltigen und zirkulären Bauens, dem die Politik der Koalitionäre ebenfalls verpflichtet sein will – also auch vermehrt auf Bestandsumbau und -umnutzung zu setzen und nicht mehr allein auf Neubau, der dann durch mehr Digitalisierung und mehr Fertigteilbau ebenfalls zu einer klimafreundlicheren dritten Säule werden soll.
- Wie allerdings so pro Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen sollen, wird jedenfalls nicht klar – bei einem deutlich bescheidenen Förderengagement im Neubau (und einer gleichzeitig ebenfalls nicht besonders üppigen Bestandsförderung). Ganz zu schweigen von überhaupt nicht erst vorgelegten Konzepten, wie alternativ Umbau, Umnutzung oder pro-Kopf-Flächenreduzierung gepusht werden sollen, die für den geringeren Neubau ja theoretisch in die Bresche springen könnten.
Quellen: BMWSB, GEB, vermieter-ratgeber.de, web.de