Der Materialnachschub am Bau hat in der Krise bislang von den gut eingespielten regionalen Distributionsnetzen profitiert und nicht zuletzt davon, dass zahlreiche für den Bausektor wichtige Materialien – man denke an mineralische Rohstoffe wie Sand, Kies, Beton oder Zement – überwiegend im eigenen Land ortsnah abgebaut und weiterverarbeitet werden können. Doch natürlich bestehen nicht wenige anspruchsvolle Endprodukte im Segment Bau- und Installationsbedarf aus zahlreichen Komponenten und sind daher auf die internationalen Materiallieferungsströme angewiesen. Wo laut den Verbänden Engpässe und Preiserhöhungen drohen und was das für die Betriebe der Bauwirtschaft bedeuten könnte, haben wir hier zusammengefasst.
Dämmstoffe: Rohstoffzufuhr verknappt sich vor allem aufgrund der chinesischen Markterholung
Vorsorglich warnt bereits der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) vor Lieferengpässen bei Dämmstoffen. Grund dafür ist weniger die Pandemie in Europa als ihre bereits fortgeschrittene Überwindung in China: Die dortige unerwartet frühe Wirtschaftserholung sorgt auf den wichtigen Rohstoffmärkten zu einer erhöhten Angebotsverknappung und nicht zuletzt preislich für zusätzlich Zündstoff: So berichten Hersteller von WDVS, Putzen und Mörtel laut Verbandsangaben über Lieferschwierigkeiten bei wichtigen Rohstoffen und damit verbundene kräftige Preissteigerungen.
Ausbausegment: Preissteigerungen mit Ansage
Ins selbe Horn stößt der Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz, der für den Ausbau eine „beispiellose Welle von Preiserhöhungen bei Rohstoffen und Materialien“ in Aussicht stellt. Neben Dämmstoffen wie EPS gehen die Preise für Trockenbauprofile und OSB-Platten nach Auskunft des Verbands ebenfalls durch die Decke. Sämtliche im Ausbau benötigten Segmente seien gleichermaßen betroffen– vom Sanitärsilikon über Farbe und Lacke bis hinunter zu den Materialkosten bei Verpackungen wie Farbeimern.
Auch heimische Rohstoffe und Vorprodukte warten mit saftigen Preissteigerungen auf
Laut Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden ging die Produktion von Gipserzeugnissen, Ziegeln, Zement und Mörtel Ende im Verlauf von 2020 zurück. Dadurch könnten aktuell die Einkaufspreise steigen. Der Bundesverband der deutschen Bauindustrie beobachtet zudem, dass die Preise für Vorprodukte wie Stahl wieder anziehen, nicht zuletzt, da die im Konjunkturhoch befindliche deutsche Automobilindustrie diesen Rohstoff wieder vermehrt einkauft.
Und das hat bereits Folgen: Aktuell beobachten zwei Drittel der vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe befragten Mitgliedsfirmen zwar bei den meisten mineralischen Rohstoffen noch keine Engpässe bei der Verfügbarkeit, bei Stahl bestätigen aber nur knapp 30 Prozent eine problemlose Versorgung.
Noch schwieriger sieht es bei Kunststoffen und Holz aus. Gerade bei Letzterem kommen wieder die trotz Corona erstarkenden Volkswirtschaften aus Übersee zum Zug: Insbesondere die USA und China kaufen derzeit ihr Holz in Europa ein, was einmal mehr als ein wichtiger Grund für die Lieferschwierigkeiten und die steigenden Preise bei diesem Material gilt.
Beim Installationsbedarf werden ebenfalls Lieferengpässe gemeldet
Die nicht zuletzt coronabedingten Lieferschwierigkeiten von Fliesenexportland Nr. 1 Italien sorgen zudem für Engpässe bei Fliesen (so zumindest ein aktuelles Umfrageergebnis der Wirtschaftsberatung Querschiesser). Lieferengpässe gibt es demnach auch teilweise bei Armaturen und Sanitärkeramik.
Mit dem aktuellen Nachfrageboom für energetische Sanierungen hängt zusammen, dass auch für Produkte wie Wärmepumpen, Pellet- oder Hackschnitzelheizungen, drehzahlgeregelte Heizungspumpen oder Komponenten für Solaranlagen von den befragten Handwerkern Lieferschwierigkeiten befürchtet werden. Schließlich hat die Bundesregierung im vergangenen Sommer nicht zuletzt unter dem Eindruck der konsumeinbremsenden Coronakrise fast 70 Prozent mehr Fördermittel auf den Markt geworfen als zuvor.
Höhere Gewalt? Nicht mehr nach einem Jahr Krise
Wie das Gebäudetechnik-Fachportal Haustec zu bedenken gibt, müssen Handwerksfirmen verstärkt damit rechnen bei Terminverzögerungen mit Schadensersatzansprüchen konfrontiert werden. Zu Beginn der Coronakrise konnte man sich noch auf „höhere Gewalt“ berufen, doch nach mehr als einem Jahr Pandemie dürfte diese Begründung vor Gericht nicht mehr stichhaltig sein.
Um rechtssicher nachweisen zu können, dass Verzögerungen im Projekt selbst verschuldet sind und auch durch andere Maßnahmen nicht hätten ausgeglichen werden können, sind die Bauhandwerker also unter Umständen gezwungen sämtliche Probleme bei Materiallieferungen oder Mitarbeiterausfall penibel zu dokumentieren – was erheblichen Aufwand mit sich bringen kann.
Verschiebungen hin zum Onlinehandel?
Sollten die Lieferverzögerungen durch Rohstoffknappheit in den nächsten Monaten so stark zunehmen wie von Teilen der Industrie befürchtet, ist dies für Bauunternehmen und Bauhandwerk nicht zuletzt deshalb eine Herausforderung, weil die ungewisse Produktverfügbarkeit rein projektbezogene Materialeinkäufe erschwert. Gerade bei kleineren Baufirmen mit geringen Lagerkapazitäten wird das aber normalerweise gern genutzt, um wenig Kapital zu binden und die Flächen niedrig zu halten.
Eine Untersuchung von BauInfoConsult aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Bauunternehmen und Handwerksbetriebe durchschnittlich 6 Stammhändler haben, bei denen sie regelmäßig Ware beziehen. Im Fall von weit verbreiteten Lieferungsengpässen dürften viele Baufirmen ihr Glück bei weiteren Händlern über den engen Kreis ihrer Stammlieferanten hinaus ausweiten.
Insbesondere bei Sanitär- und Heizungsinstallationsbedarf könnte hier die Stunde der reinen Internet-Anbieter schlagen: Um deutschlandweit liefern zu können, haben diese bei einigen Produkten erhebliche Vorrats- und Lagerkapazitäten aufgebaut und könnten so länger lieferfähig sein als so manch regional tätiger Stammhändler.
Allerdings haben die letzten Erhebungen zum Einkaufsverhalten von BauInfoConsult (2019) gezeigt, dass das Einkaufsvolumen der meisten Betriebe bei reinen Internet-Anbietern gering ist – das gilt selbst für das grundsätzlich besonders Onlinehandel-affine SHK-Handwerk. Ob hier die Coronakrise zu einem Umdenken bei den Einkäufen am Bau führt, wird die nächste BauInfoConsult-Erhebung zum Einkaufsverhalten zeigen, die für das dritte Quartal 2021 anvisiert ist.