Seit Längerem wird das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr hierzulande nicht erreicht. Dies gilt sowohl für Baugenehmigungen als auch für fertiggestellte Bauvorhaben. Was ist in den kommenden Jahren an Bauleistung zu erwarten?
Ungünstige Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau
Die schwächere Entwicklung wichtiger Neubau-Indikatoren wie Genehmigungen und Auftragszahlen sowie die anhaltend ungewöhnlich hohen Stornierungsraten sowie die zunehmend pessimistischen Geschäftserwartungen im Baugewerbe lassen derzeit darauf schließen, dass die Investitionen in Wohngebäude spätestens ab der zweiten Jahreshälfte 2022 deutlich schwächeln. Die steigenden Effektivzinsen sowie die sinkenden Realeinkommen der inflationsgebeutelten Verbraucher erschweren auch langfristig die Finanzierung von Wohnvorhaben.
Zu den zentralen Anliegen der frischgewählten Regierung gehörte Ende 2021 laut Koalitionsvertrag die Ankurblung der Baukonjunktur zur Schaffung von neuem Wohnraum. So soll gemäß den Berechnungen der meisten Experten der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ermöglicht werden. Dazu möchte das neue SPD-geführte Bundesbauministerium öffentlich geförderte Wohnungen und den sozialen Wohnungsbau stärken – dass hiervon 2022 noch nicht viel zu hören war, erscheint angesichts von Energiekrise und Inflation erst einmal nicht wenig überraschend.
Angesichts des erklärten Ziels, den Wohnungsbau voranzubringen und zu beschleunigen, wirkte die Tatsache nur desto unvermittelter, dass Ende Januar 2022 nicht nur (wie angekündigt und geplant) die Neubauförderung des Effizienzhauses/Effizienzgebäudes 55 (EH55) auslief, sondern auch die gesamte Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) für den Neubau mit sofortiger Wirkung gestoppt wurde. Als Grund gab das BMWK an: Die bereitstehenden Mittel reichten für die Anträge derzeit nicht aus (offensichtlich hatte die Vorgängerregierung es mit der Budgetierung im Wahlkampfgetöse nicht allzu genau genommen).
Das Bundeswirtschaftsministerium gelobte Besserung – doch die Posse ging weiter: Die am 20. April 2022 mit viel Tamtam freigeschalteten Effizienzhaus 40-Mittel von 1 Milliarde Euro waren nach 3 Stunden schon weg. Seit dem 21.4. sind nur noch Effizienzhaus-Stufe 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse / Effizienzgebäude-Stufe 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse (d. h. mit dem im Jahr zuvor Jahr eingeführten „Qualitätssiegel nachhaltige Gebäude”) möglich. Allerdings stehen auch hier die Kapazitäten zur Vergabe laut Brancheninsidern auf wackeligen Füßen.
Mit Spannung wird von der Branche nach wie vor die Neuregelung der Neubauförderung erwartet. Doch hier gab es das ganze Jahr 2022 über nur weitere Ankündigungen. Bekanntlich sind die Förderprozesse in Deutschland kompliziert und im Einzelfall hat sich für so manchen Einzelfall eine KfW-Kredit nicht einmal gelohnt – zumindest war das im noch nicht lange, aber nach derzeitigem Stand der Dinge wohl endgültig vergangenen Niedrigzins-Zeitalter so.
Doch ausgerechnet jetzt, wo die Lebenshaltungskosten steigen, die Energiepreise den Geldbeutel der Verbraucher empfindlich treffen, die Bauzinsen in die Höhe schießen und die Banken bei der Kreditvergabe zugeknöpfter und zugeknöpfter werden – ausgerechnet jetzt eine Lücke bei der Neubauförderung mit obendrein noch völlig unsicherer Perspektive offen zu halten, hat eine verheerende Signalwirkung für die Baunachfrage.
Lücke zwischen Fertigstellungen und Genehmigungen stark gestiegen
Es ist an sich nichts Ungewöhnliches, dass die Fertigstellungen den Genehmigungen in einem Jahr hinterherhinken, schließlich können bei Weitem nicht alle neu genehmigten Projekte im selben Kalenderjahr auch fertiggestellt werden. Es gibt also immer genehmigte Projekte, die noch nicht fertiggestellt worden sind und ebenso sich verzögernde Projekte, die bislang nur auf dem Papier begonnen worden sind und für die der erste Spatenstich noch aussteht. Auf der anderen Seite gehen auch noch die in den Vorjahren genehmigten, aber erst im aktuellen Jahr fertiggestellten Bauprojekte in die Statistik mit ein.

Unter „normalen“ Bedingungen wäre das Fertigstellungsergebnis im Jahr 2021 (nach zwei unterm Strich erfolgreichen Genehmigungsjahren zuvor und mit einem soliden Genehmigungsergebnis im selben Jahr) also wohl ebenfalls positiv oder zumindest durchwachsen verlaufen. Doch die Zeit der Normalität scheint auf Weiteres vorbei zu sein:
So war 2021 seit dem ersten Quartal von Nachfrageengpässen und Lieferschwierigkeiten bei Materialien und Rohstoffen geprägt – was mit teilweise massiven Preiszuwächsen einherging. So kam es zu Projektverzögerungen (und sicher auch zu gestoppten oder von vornherein gecancelten Projekten, bei denen die Kostennotbremse gezogen worden war).
So kam es, dass 2021 im Neubau 4,4 Prozent weniger Wohnungen (bzw. 8,8 Prozent weniger Wohngebäude) fertiggestellt wurden als im Vorjahr. Diese ungünstigen Bedingungen spiegeln sich auch in unserer Bauprognose für den Wohnungsbau im Jahr 2022 wider.
Aufgrund der durch Material- und Fachkräftemangel länger gewordenen Bauzeiten haben wir unsere Prognose der Fertigstellungsentwicklung noch feiner auf die Entwicklung des Bauüberhangs abgestimmt. Schon aufgrund der positiven Genehmigungsentwicklung 2021 deutet sich für 2022 wieder ein Aufwärtstrend bei den Fertigstellungen an: So dürften 2022 bereits wieder 2,5 Prozent mehr Wohngebäude fertiggestellt werden – doch wohlgemerkt im Vergleich mit dem schwachen Ergebnis von 2021. Verglichen mit dem Fertigstellungsergebnis 2020 etwa liegen die für 2022 prognostizierten 105.528 Gebäude um 7,0 Prozent drunter.
Auch 2023 soll die Fertigstellungszahl wieder in ähnlichem Ausmaß ansteigen (+2,3 Prozent). Der Geschosswohnungsbau lässt den Eigenheimsektor beim Wachstum erneut um Längen zurück, doch ist auch bei den vom privaten Bau dominierten Segmenten ein leichtes Fertigstellungsplus zu sehen. Ähnliche Dimensionen wie 2020 werden wohl aber nicht vor 2024 erreicht – ein schnelles Ende der Wohnungsengpässe ist also leider in den nächsten Jahren eher unwahrscheinlich.
Deutschland: Prognose der Genehmigungen und Fertigstellungen von neuen Wohngebäuden 2022-2023 und Tendenz 2024: Veränderungen zum Vorjahr in Prozent

Quelle: Statistisches Bundesamt (Daten 2021), BauInfoConsult (Prognose), August 2022