Wirtschaftswachstum und Corona? Wie die Prognosen bis 2021 zu bewerten sind

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Konjunkturprognosen unter Pandemiebedingungen sind ein schwieriges Unterfangen. Auf der einen Seite ändern sich die Corona-Lage sowie die (wirtschaftspolitischen) Reaktionen zum Teil stündlich. Auf der anderen Seite will auch der „Otto-Normalbürger“ gerne wissen, wie es mit der Wirtschaft weiter geht. Hier muss jede Konjunkturprognose den Spagat zwischen der Beachtung der dynamischen Pandemieprozesse und dem Bürgerwunsch nach genauen Vorhersagen wagen. Da aktuell viele Konjunkturprognosen unterschiedlichster Couleur umherschwirren, ist eine Übersicht der verschiedenen Prognosen hilfreich, da sich diese zum Teil merklich unterscheiden.

Gewiss ist nur die Ungewissheit: Unter diesem zugegebenermaßen nicht gerade erfreulichen Motto könnte man die aktuelle Lage zur Zeiten der Coronapandemie zusammenfassen. Daher ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass die verschiedenen Institutionen und Institute ebenfalls gerade damit zu kämpfen haben, einigermaßen plausible Konjunkturprognosen auf die Beine zu stellen. Zwar sind mittlerweile alle wichtigen BIP-Prognosen veröffentlicht worden, doch die Vorhersagen unterscheiden sich zum Teil deutlich voneinander. Daher haben wir uns dazu entschlossen, einen kurzen Überblick zu den neuesten Prognosen zu geben.

BIP-Prognose 2020: Wenn sich Meldungen über den Wirtschaftseinbruch überschlagen

Zynisch formuliert könnte man fast den Eindruck bekommen, dass sich einige Ökonomen geradezu diebisch darüber freuen, endlich wieder einem veritablen Konjunkturcrash gegenüberzustehen – nach Jahren des Mantras einer boomenden deutschen Wirtschaft. Zumindest überschlugen sich mit dem (Teil-)Lockdown der Wirtschaft im April die Katastrophenmeldungen über einen Konjunkturcrash ungekannten Ausmaßes. Und in der Tat dürfte das Stilllegen ganzer Wirtschaftseinheiten zu schweren Verwerfungen führen.

Doch grenzenloser Alarmismus hilft nicht weiter und ist auch fehl am Platz: Erstens, weil die deutsche Wirtschaft nicht von einem auf den anderen Tag so einfach pleite gehen kann. Zweitens, weil es noch genug Branchen gibt – wie etwa den Bau – die bis dato nicht so heftig getroffen worden sind. Drittens, weil das Jahr noch 7 Monate dauert und bis dahin noch einiges geschehen kann – wie der Anfang Mai gestartete Versuch die Wirtschaft unter Auflagen wieder hochzufahren belegt.

Ähnliche Gedanken dürften auch einige der Prognoseautoren geleitet haben, denn für das Gesamtjahr 2020 erwartet das Gros der Ökonomen einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandproduktes von etwa 6 Prozent. Die Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute blickt jedoch etwas positiver in die Zukunft und rechnet mit einem sanfteren BIB-Rückgang von rund 4 Prozent.

Ähnlich hatte sich auch der Sachverständigenrat in seiner Corona-Prognose von Ende März geäußert: So geht deren Risikoszenario (langes U) ebenfalls von einem Abrutschen der Konjunktur von etwa mehr als 4 Prozent aus. Diese Risikoszenario steht jedoch unter der Prämisse, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus bis über den Sommer hinaus andauern könnten und sich somit eine wirtschaftliche Erholung erst nach 2021 einstellen wird. Damit ist diese Variante wohl einer der eher pessimistischen Voraussagen, denn alle anderen Prognosen erwarten, dass es in 2021 wieder deutlich aufwärts gehen könnte.

Auswahl der Prognoseszenarien des deutschen BIP für 2020 und 2021 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent)

Quellen: BMWi, Mai 2020; ifo Institut, April 2020; Europäische Kommission, Mai 2020; Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, April 2020; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Statistisches Bundesamt, März 2020

BIP Prognose 2021: Hat der Schrecken ein Ende?

Zugegeben, die Dynamik der Pandemie ist so schwer vorauszuahnen, dass die Vorhersagen für 2021 eher als grobe Richtwerte zu interpretieren sind. Hierbei gehen fast alle Prognosen davon aus, dass die Pandemie in 2021 einigermaßen beherrschbar geworden ist. Vermutlich wird dieser Optimismus teilweise von der Aussage vieler Politiker genährt, dass es bis Anfang 2021 wohl einen Impfstoff geben wird – wobei hier mittlerweile auch schon erste Zweifel aufkeimen. Es ist in diesem Zusammenhang wohl eher wahrscheinlich, dass sich viele Wirtschaftseinheiten im Verlauf des Jahres 2020 sukzessive besser auf die Pandemiebedingungen einstellen werden – wie es der Einzelhandel beispielsweise schon unlängst getan hat. Zwar wäre damit die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht auf einem Stand wie vor der Coronakrise zu erreichen, aber die zusätzlichen wirtschaftspolitischen Hilfsgelder könnten das Überleben vieler Wirtschaftszweige sichern.

Daher dürfte eine gewisse Hoffnung durchaus berechtigt sein, dass die Konjunktur in 2021 wieder an Fahrt aufnimmt und die Verluste aus 2020 einigermaßen kompensieren kann. Allerdings ist die Unsicherheit über den weiteren Pandemieverlauf so groß, dass genaue Aussagen kaum möglich scheinen. Auch dürften mit einer sprunghaften Erholung der deutschen Wirtschaft von über 8 Prozent in 2021 – wie es das Münchener ifo-Institut erwartet – wohl nur die allergrößten Optimisten rechnen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass es eine zweite Infektionswelle im Herbst geben könnte – welche günstigenfalls schwach ausfällt – und somit die Konjunkturerholung in 2021 eher in Richtung 4 bis 5 Prozent gehen dürfte.

Publiziert im Mai 2020

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