Holzminden statt Berlin, Ruhrpott statt Hamburg? Immobilienanalyse weist auf Wohntrendwende

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„First we take Manhattan, then we take Berlin“: Klar, in den großen Trendmetropolen zu wohnen ist nach wie vor hochbegehrt, doch man muss es sich erst einmal leisten können: Eine aktuelle Studie von Stepstone illustriert schlagartig das Problem, vor dem die deutschen Hipster-Hochburgen wie Berlin, Hamburg, München und Co. mittlerweile stehen: Das Online-Jobportal hat 128.000 Gehälter zu den Lebenshaltungskosten in 395 Stadt- und Landkreisen in Deutschland ins Verhältnis gesetzt. Wenn man die ortsüblichen Miet- und weitere Nebenkosten dem Gehalt modellhaft gegenüberstellt, schneiden die Trendmetropolen München, Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main schlechter ab als Großstädte, bei denen von Trend keine Spur sein kann. Wird also jetzt Holzminden in Niedersachsen zum neuen Wohn-El Dorado?

Berlin, Hamburg, München … im vergangenen Jahrzehnt sind die Immobilienmärkte in den deutschen Großstädten und Ballungszentren heißgelaufen. Doch nicht nur die Coronakrise sorgt aktuell für Katerstimmung in den begehrten Metropolen. Was nutzt die begehrte Innenstadtlage schließlich, wenn diese aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos derzeit aller attraktiven Freizeitmöglichkeiten beraubt sind?

Metropolen büßen als Wohnort an Attraktivität ein

Schwerer wiegt langfristig jedoch ein anderer naheliegender Punkt: Entscheidend dafür, ob man sich eine Wohnlage leisten kann, ist nicht nur die Höhe des Gehalts, sondern auch die Höhe der anfallenden Kosten. Und die haben in den Metropolen mittlerweile selbst für gutverdienende Immobilien- und Wohninteressenten schlicht unattraktive Dimensionen angenommen.

Die Mieten bzw. Wohneigentumspreise haben in Hamburg, Berlin oder Frankfurt geradezu astronomische Höhen erreicht – und auch für Einkäufe, Transport und Freizeitgestaltung fallen sehr viel höhere Summen an als in anderen Teilen Deutschlands. Stepstone hat in der Untersuchung daher die Gehälter in 128.000 Jobanzeigen mit den anfallenden Lebenskosten vor Ort verglichen.

B-Städte und Provinz punkten mit „mehr Brutto vom Netto“

Die Ergebnisse geben vor allem den amtierenden Platzhirschen unter den deutschen Immobilienstandorten eine bittere Pille zu schlucken: So bleiben Arbeitnehmern in Berlin bei Abzug der ortsüblichen Wohn- und Lebenskosten im Durchschnitt nicht mehr als 250 Euro von ihrem Nettogehalt übrig.

In Hamburg schlagen die Kosten für Freizeitaktivitäten deutschlandweit am höchsten zu Buche (ein Viertel des durchschnittlichen Vor-Ort-Gehalts). Und in der Finanzmetropole Frankfurt am Main werden die üppigen Gehälter durch die entsprechend besonders happigen Mietpreise drastisch relativiert.

Ruhrgebietsstädte wie Essen, Duisburg oder Dortmund, die normalerweise eher einen „durchwachsenen“ Ruf haben (wie selbst der Autor dieses Artikels als Wahl-Ruhrgebietsbewohner zähneknirschend zugeben muss), stehen urplötzlich im Ranking besonders attraktiv da. Diese Städte zählen aber – gemessen am Verhältnis zu Gehalt und Lebenskosten – zu den Orten, an denen es sich deutschlandweit am besten wohnen lässt: So haben in Essen Arbeitnehmer mit 41 Prozent des ortsüblichen Gehalts etwa einen fünfmal so hohen Anteil zur Verfügung als die Bewohner der teuersten Großstadt München.

Zumal es trotz Strukturwandel in der Rhein-Ruhrgebiet oder in anderen „B-Großstädten“ wie Nürnberg an Arbeitgebern aus der Industrie, die auch in der Coronakrise solide dastehen, nicht mangelt (anders als im überdurchschnittlich von Agenturen bevölkerten Berlin etwa). Das gilt auch beim Deutschlandsieger des Rankings, der niedersächsischen Provinzstadt Holzminden, die mit Arbeitsplätzen in der chemischen Industrie und besonders geringen lebenshaltungskoten punkten kann. 

Metropolen trotzdem wohl kaum abgemeldet

Heißt die Zukunft auf dem Wohntrend-markt also Nürnberg statt München, Essen statt Düsseldorf, Holzminden statt Hamburg? Böse Zungen werden bezweifeln, dass die meisten frischgebackenen Holzmindener auf die dort so erschwinglichen Freizeitangebote sowieso dankenswert verzichten und lieber in einer Trendmetropole leben und für die erhöhte Lebensqualität ein niedrigeres verfügbares Einkommen in Kauf nehmen würden.

Dazu kommt: Sobald sich herumgesprochen hat, dass etwa Essen an Wohnattraktivität zugenommen hat, wird die Nachfrage auf diesem derzeit noch vergleichsweise brach liegenden Immobilienmarkt zunehmen und die Lebenskosten werden mit der Zeit auch immer mehr nachziehen. Von daher gilt: Das Lebenskosten-Ranking ist in einem 3- bis 5-Jahreshorizont gesehen nur eine recht flüchtige Momentaufnahme.

Außerdem dürfte die Wohnbevölkerung bei den derzeitigen Trend-Platzhirschmetropolen angesichts einer Verlagerung in die „Vor-Großstädte“ nicht einfach von heute auf morgen abwandern. Dennoch wäre gerade für die derzeitigen Trend-Märkte in den Metropolen sicher recht heilsam, wenn die übersteigerte Nachfrage dort erst einmal wieder etwas zurückgeht und sich das Marktniveau langfristig wieder stabilisieren und normalisieren kann.

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